Im Osten der Republik, an der Grenze zu Polen, wartet ein motorradfahrerischer Geheimtipp darauf, entdeckt zu werden. Winzige Sträßchen, wenig Verkehr, schnuckelige Dörfer, geschichtsträchtige Städte und viel unberührte Natur machen die Lausitz zum Motorradparadies.
Die Lausitz, das ist ganz weit drüben im Osten. Dort, wo sich Deutschland in Form eines Hakens nach Polen hineinschiebt. Klar, dass in dieser Grenzregion der Fortschritt stets eine langsamere Gangart anschlug. Aber: Auf diese Weise erhielt sich die Lausitz weitgehend ihre Ursprünglichkeit. Man trifft dort auf kaum besiedelte Landstriche, tiefe Wälder, freundliche Menschen und mittelalterliche Städte. Und Straßen, die einem fast immer ganz alleine gehören.
Ein guter Einstieg per Motorrad in die Lausitz ist die zirka 150 Kilometer lange Runde von Cottbus aus über Senftenberg, Hoyerswerda und Spremberg. Sie bietet alles, was des Bikers Herz begehrt: verkehrsarme Landsträßchen, unzählige Kurven, Höhenunterschiede, viel Natur und jede Menge wunderhübscher Städte. Zum Beispiel Cottbus, der Ausgangspunkt unserer Tour. Bautechnisch ein Juwel, zieht die „grüne Stadt“ den Besucher mit ihren zahlreichen Parks und Grünanlagen und ihrem hübschen Markplatz sofort in ihren Bann. Die Giebelhäuser im sächsischen Barock sind liebevoll restauriert, die herrliche Löwenapotheke wurde bereits 1573 eröffnet. Cottbus war von 1868 bis 1918 Garnisonsstadt der preußischen Armee und gilt heute als Zentrum der sorbischen Minderheit in der Lausitz. Die Sorben sind eine slawische Ethnie, die sich im Mittelalter in der Region ansiedelten.
Links an der Talsperre Spremberg vorbei rollen wir gemütlich über Bagenz nach Spremberg hinein. Viel ist von der einstigen „Perle der Lausitz“ durch den Krieg leider nicht übrig geblieben, weil gegen Kriegsende drei deutsche Divisionen glaubten, noch Heldentaten vollbringen zu müssen und Spremberg hartnäckig gegen die anrückende Rote Armee verteidigten. Dennoch lohnt sich ein Besuch, alleine schon wegen des kleinen, aber feinen historischen Stadtkerns, des imposanten Schlosses und des Bismarck-Turms, von dem man eine tolle Aussicht hat.
Schwarze Pumpe fliegt rechter Hand vorüber. Die Sorbensiedlung geht auf das Jahr 1852 zurück, als dort nur ein Gasthof, ein Chauseehaus und eine Ziegelei standen. Dann folgte die Industrialisierung, und die Schwarze Pumpe wuchs zu einer richtigen Siedlung. Die DDR errichtete hier in den 1950er-Jahren ein Gaskombinat, das sich zum größten Braunkohle-Veredelungsbetrieb des Staates entwickelte. Heute ist die Anlage ein Industriepark.
Hoyerswerda, unser nächster Anlaufpunkt, liegt im Zentrum des Lausitzer Seengebietes und mauserte sich vom Braunkohlerevier zum Naturparadies. Obwohl im Zweiten Weltkrieg ebenfalls stark zerstört, hat Hoyerswerda seinen historischen Kern weitgehend erhalten. Zu sehen gibt es einen schönen Marktplatz, das Alte Rathaus und ein Schloss, das heute als Heimatmuseum dient. Beeindruckend: Mit dem Braunkohleabbau wuchs die Bevölkerungszahl nach dem Zweiten Weltkrieg von 7.000 auf 70.000 an.
Nach einem kurzen Stadtrundgang lenken wir das Motorrad auf verschlungenen Straßen zwischen den zahlreichen Seen rund um Senftenberg hindurch, bis wir auf dem hübschen Marktplatz der „Stadt am sanften Berg“ stehen. Senftenberg ist kontrastreich, hier stehen romantische Bauwerke der Renaissance und des Barock neben Plattenbauten aus DDR-Zeiten. Ist es gerade das, was eine Rundfahrt durch die Stadt so interessant macht? Wie auch immer – keinesfalls entgehen lassen sollte man sich einen Abstecher zum Senftenberger See, dem gefluteten Krater des Braunkohletagebaus Niemtsch. Am Südufer steht ein 31 Meter hoher Aussichtsturm, der einen herrlichen Blick über die Seenlandschaft rund um Senftenberg ermöglicht.
Übrigens: Wer mehr über den Tagebau wissen will, sollte ein paar Kilometer weiter bei Welzow den Blinker setzen. Von hier aus sind Ausflüge in die Abbaugebiete möglich. Bereits der Anblick der gigantischen Erdlöcher ist atemberaubend. Welzow-Süd nennt sich dieser Braunkohletagebau, der von der Lausitz Energie AG betrieben wird. 20 Millionen Tonnen Kohle werden jedes Jahr gefördert, begonnen hatte das Ganze bereits im 19. Jahrhundert.
In Pritzen werfen wir einen Blick auf den idyllischen Altdöberner See. Der Ort hatte Glück, da seine 1973 beschlossene Vernichtung durch den Tagebau 1992 rückgängig gemacht wurde. Heute liegt Pritzen auf einer Halbinsel im gefluteten Altdöberner See, dem Restloch des ehemaligen Greifenhainer Tagebaus. Anschließend fahren wir um den Laasower See herum, überqueren die Autobahn und erreichen nach einer zügigen Überlandetappe schließlich wieder Cottbus, unseren Ausgangspunkt.
Roadbook:
Cottbus – Bagenz – Spremberg – Schwarze Pumpe – Hoyerswerda – Senftenberg – Welzow – Pritzen – Cottbus (ca. 170 km)
Motorradtreffs:
Calau: Bei Reinhard Bareinz wartet eine private Motorradsammlung mit einer kompletten mechanischen Werkstatt aus der Zeit um 1850.
Klein Klessow (Lübbenau): Die Oldtimer-Sammlung von Werner George ist ein Anziehungspunkt für Einspurige.
Schönerwalde: Man trifft sich am und im Motorradmuseum von Walter Mahl mit seinen Motorrädern aus den 40er-Jahren der alten DDR.
Klettwitz: Der Eurospeedway hat sich seit seiner Eröffnung im Jahr 2000 zum gut besuchten Treff entwickelt.
Highlight:
Vom Braunkohlerevier zum Naturpark
Es ist Europas größte künstlich angelegte Wasserlandschaft werden und entstand durch die Flutung stillgelegter Braunkohlereviere – das Lausitzer Seenland. Schon zu DDR-Zeiten wurden hier alte Abbaulöcher regelmäßig mit Wasser gefüllt, im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich an ihren Ufern ein reger Freizeitbetrieb. Da sich die Seen durch Kontakt mit dem ehemaligen Tagebau ständig mit Pyrit vermischen, ist ihr Wasser relativ sauer.
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